Oder - die wunderbare Welt der Facebook Algorithmen
Hey, ich habe diese grandiose EP veröffentlicht, Dobro und Kontrabass – 2 likes
Wow, 10.000 Streams von ‚Beam Me Up‘ in Japan! Wie konnte das passieren? – 1,5 likes
Boa, ich hab meine Waschmaschine auseinandergeschraubt, wieder zusammengeschraubt, 2 Schrauben sind übrig geblieben, sie läuft wieder: 100 likes
Liebes Facebook, das ist die Bilanz meiner zugegebenermaßen sehr sporadischen Post Aktivität der letzten 2 Monate. Und ich kann Dich verstehen, wenn Du Dich gelangweilt abwendest: ‚Dude, was ist der Unterschied zwischen Nichts und Nichts,01 ?‘
Aber ich bin trotzdem enttäuscht: ich war so beeindruckt, dass sich 10.000 Menschen in Japan einen Song von meiner Platte angehört haben oder vielleicht auch 1 Person mit japanischer IP Adresse sich 10.000 Mal den Song angehört hat. Und beeindruckt, dass ich erst mal davon gar nichts mitbekommen hab: in einer dürren, kleingedruckten Zeile meiner Labelabrechnung versteckte sich dieses Informations Juwel. ‚Facebook gold right here!‘ dachte ich. Von wegen: gefühlte 1,5 Personen hat dieser Post aus der Reserve gelockt.
Ungefähr zeitgleich beschloss meine Waschmaschine, dass sie genug hatte von der Schmutzwäsche einer 4 köpfigen Familie. Da 5-stellige Streaming Ergebnisse weder die Anfahrt eines Kundendienstes noch den Erwerb eines Neugeräts rechtfertigen war es an der Zeit, die comfort zone zu verlassen: You Tube Tutorial binge watching und ran an den Werkzeugkasten. Und siehe da, erfolgreich repariert. Auch die Frage ‚Papa, wo kommen die 2 Schrauben her?‘ konnten meine Freude nicht trüben, sondern war Inspiration für einen weiteren post. Bäm: 6000% mehr likes!
Ist schon klar, ein Musiker, der seine Waschmaschine repariert, ist eine Purple Cow im besten Seth Godinschen Sinne, äusserst bemerkens- und erwähnenswert.
Aber ist das ein Jazz Track aus Deutschland, der – sorry für die Wiederholung – in Japan 10.000 mal gestreamt wird nicht auch?!
Zugegebenermaßen erlaubt ein Musiker-Waschmaschinen Post bedeutend mehr Interaktion außer einem müden ‚Glückwunsch‘ oder ‚beeindruckend‘. Als da wären:
– Philosophoische Abhandlungen: ‚Bleibt nicht immer eine Schraube über?‘
– ungenierte Einladungen: ‚Wann kommste rum?‘
– und natürlich die Einnordung auf der DIY-Helden-Skala: ‚Das ist doch nichts gegen einen Waschmaschinentrommellagerwechsel ;)‘
Facebook, wie erkennen das Deine Algorithmen? Woher weisst du, dass du das Bild mit dem 2 Schrauben bedeutend öfter irgendwelchen News Feeds einspeisen solltest?
Davon bin ich wirklich beeindruckt und hadere noch mit einer Handlungsempfehlung an mich selber. Folgende Möglichkeiten kommenmir in den Sinn:
#1: Edward, repariere Weißgeräte und Facebook ist Dein.
#2: Edward, Facebook ist nicht Dein, halte Dich davon fern.
#3: Edward, finde einen Mittelweg zwischen #1 und #2 und pass bitte auf Deine Finger auf.
Well, während ich noch etwas darüber nachdenke, habt Ihr die Gelegenheit, Euch den vielbesungen Song anzuhören, Euch in meinen Newsletter einzutragen oder schnell weiterzuskippen.
Frohes Fest.